Estimative Index - Einführung

Aquascaping,Pflanzen

Der Estimative Index (EI) ist ein von Tom Barr (barreport.com) entwickeltes Düngesystem bei dem im Aquarium immer ein leichter Überschuss aller Nährstoffe zur Verfügung steht. Ausgelegt ist dieses Düngesystem für reich bepflanzte Aquarien mit starker Beleuchtung, starker CO2 Zufuhr und normalem Fischbesatz. Wir geben einen kurzen Überblick.

Grundannahme

Der Estimative Index bricht mit der weit verbreiteten Annahme das eine geringe Nährstoffkonzentration Algenwuchs vorbeugt. Innerhalb dieses Düngesystems werden alle benötigten Nährstoffe oberhalb des Bedarfs gedüngt, was in Zusammenhang mit viel Licht und ausreichender CO2 Versorgung zu einem gesunden Pflanzenwachstum und dadurch zur Vermeidung von Algen führt.

Wassertests

Klassischerweise werden in anderen Düngesystemen einzelne Nährstoffe sehr exakt gedüngt und anschließend ihre Konzentration gemessen. Der Estimative Index ist hier besonders reizvoll, weil das aufwändige und fehleranfällige Messen von Wasserwerten komplett entfällt. Ohnehin stellt sich die Frage ob die Messung von Wasserwerten regelmäßig zuverlässig ist, oder durch Anwendungsfehler und Messungenauigkeiten nicht ohnehin ungeeignet ist um die feinen Schwankungen zu ermitteln auf die man sich in klassischen Düngesystemen verlassen muss.

Barr tadelt explizit das Vorgehen der "Messaquarianer", die penibel auf die Konzentration einzelner Nährstoffe achten und bei Mangelerscheinungen versuchen einzelne Parameter zu verändern. Dieses System kann funktionieren, ist aber außerordentlich komplex und erfordert sehr viel Erfahrung und Ausdauer beim Pflegen, Messen und Düngen.

Algen

Des weiteren ist unklar ob der Überschuss einzelner, oder mehrerer Nährstoffe allein tatsächlich zu Algenwachstum führt. Aquarien sind komplexe Systeme in denen weit mehr Parameter eine Rolle für den Algenwuchs spielen als Schwankungen bestimmter Nährstoffe.

Die weit verbreitete Annahme das ein hohes Nährstoffangebot zu Algenwachstum führt ist - insbesondere in dieser pauschalen Formulierung - nicht wissenschaftlich belegt. Prinzipiell kann gesagt werden das Algenwachstum dann möglich wird, wenn Wasserpflanzen schlecht wachsen. Dies kann jedoch neben dem Mangel an einzelnen oder mehreren Nährstoffen auch andere Ursache, wie schlechte Wartung (Filter), zu wenig oder zu viel Licht/CO2 im Verhältnis zueinander und zum Nährstoffangebot haben.

Hohe Eisen-, Nitrat- und Phosphat Werte lösen laut Barr kein Algenwachstum aus. Der einzige Stoff für den dies gilt ist Ammonium (NH4+), das schon in geringen Mengen das Wachstum von Algen erzeugt.

Die Hauptursache für das Wachstum von Algen sind regelmäßig schlechte CO2 Einleitung, schlechte Strömung und ein schlechter Pflegezustand des Beckens insbesondere durch hohe Mulmansammlung im Aquarium, oder Filter. Hierdurch wird das bereits erwähnte Ammonium ins Becken eingebracht und Algenwachstum ermöglicht.

Nährstoffaufnahme und Wachstumshemmer

Estimative Index bedeutet die Menge an Nährstoffen zu schätzen (estimate) die zur Erreichung des maximalen Wuchses (Index) benötigt werden. Die Geschwindigkeit und Art der Nährstoffverwertung einer Pflanze wird hauptsächlich durch das Licht bestimmt. Steht viel Licht zur Verfügung, benötigt die Pflanze viele Nährstoffe (und CO2) in kurzer Zeit. Stehen diese nicht zur Verfügung, greift die Pflanze auf Reserven zurück und die Verwertungskette gerät außer Kontrolle. Schnell kommt es zu Mangelerscheinungen und das System kippt zugunsten von Algen.

Bei den Experimenten zur Begründung des Estimative Index, wurde die maximale Aufnahmerate bei ca. 1,35 Watt pro Liter gemessen. Mehr Licht führt nicht mehr zu erhöhter Nährstoffaufnahme / Wachstum. Der Wert von 1,35 Watt pro Liter stellt daher unlimitierte Lichtbedingungen, bzw. das den Wegfall von Licht als Wachstumshemmer dar.

Düngung

Mit dem Estimative Index werden alle Mikro- und Makro Nährstoffe gedüngt, die für gesundes Pflanzenwachstum nötig sind, also NO3, PO4, K und Mg (Mikro), sowie im Wechsel ein Eisenvolldünger (Makro). Sehr wichtig bei diesem Düngesystem ist, wie oben beschrieben, eine hohe Lichtleistung (möglichst 1,35 Watt / Liter) und eine gute CO2 Versorgung (ca. 30 mg / Liter), da diese Faktoren die einzigen Wachstumshemmer sind.

Um die Erzeugung von toxischen Düngemengen im Aquarium zu vermeiden muss wöchentlich ein größerer Wasserwechsel (50%) vorgenommen werden.

Die Düngemenge wird bei diesem System nur grob geschätzt (estimated) und hauptsächlich anhand der Aquariengröße (bei reichlich Bepflanzung) bestimmt. Hierzu stehen online verschiedene Rechner bereit, die über die Aquariengröße (immer von reichlich Bepflanzung ausgehend) Nährstoffmengen in Gramm berechnen. Diese können als Nährsalze (unten beschrieben), oder über fertigen Flüssigdünger (enthält Mengenangaben) gedüngt werden. Wie immer stellen die berechneten Mengen Richtwerte dar, die leicht nach oben oder unten korrigiert werden können.

Der Düngeplan könnte folgendermaßen aussehen:

Tag 1: Mikro (NO3, PO4, K, Mg) (nach 50% Wasserwechsel) Tag 2: Makro (Eisenvolldünger) Tag 3: Mikro (NO3, PO4, K, Mg) Tag 4: Makro (Eisenvolldünger) Tag 5: Mikro (NO3, PO4, K, Mg) Tag 6: Pause Tag 7: Pause

Nährsalze und Flüssigdünger

Im Fachhandel stehen verschiedene Präparate zur Düngung nach dem Estimative Index zur Verfügung. Klassischerweise wird in diesem System mit Nährsalzen gedüngt, die sich sehr genau dosieren- und selbst anrühren lassen. Diese Vorgehensweise ist etwas aufwändiger, aber günstiger und genauer als die Düngung mit Flüssigdünger. Die im Handel erhältlichen Flüssigdünger lassen sich sehr bequem dosieren (bspw. Aqua Rebell), enthalten aber die gleichen Inhaltsstoffe wie die selbst angerührten Dünger aus Nährsalzen.

Beide Varianten führen letztendlich zum gewünschten Ergebnis.

Weitere Literatur

FLOWGROW - Post von Tom Barr FLOWGROW - Post von Tobias Coring FLOWGROW - Düngen mit Nährsalzen und allgemeine Einführung in den EI Barreport.com - Forum von Tom Barr